Ausstellung - HorgenHorgen Ausstellung Villa Seerose Horgen, 5. März 2015 Stiftung Künstler vom Zimmerberg und Zürichsee
Rede von Clemens Steiger zur Vernissage Liebe Gäste Im Zentrum der diesjährigen Ausstellung der Stiftung Künstler vom Zimmerberg und Zürichsee steht das Werk von Karl Lukas Honegger. Es gab in den letzten Jahren mehrere Ausstellungen mit Werken dieses Künstlers, der sich sowohl einen Namen als Maler, aber auch als Bildhauer machte. Es ist aber die erste Ausstellung, in der die Landschaftsmalerei im Zentrum steht. Wer war Karl Lukas Honegger? Einige der hier Anwesenden haben „Honi“, wie ihn seine Freunde nannten, noch persönlich gekannt. Andere haben vielleicht schon Ausstellungen mit Werken von ihm besucht. Für viele ist es die erste Begegnung. Dass das Werk von Karl Lukas Honegger der Öffentlichkeit immer wieder zugänglich gemacht wird, ist der Limmat Stiftung zu verdanken, die sein Werk verwaltet. Honegger selber hat eine umfangreiche Autobiographie geschrieben, die uns einen Blick in sein langes Leben gewährt. Er wurde über hundert Jahre alt und es war ihm vergönnt, bis an sein Lebensende gestalterisch tätig zu sein. Durch die Lektüre seiner Autobiografie und durch mehrere Besuche bei der Limmat Stiftung konnte ich mir im Verlauf der vergangenen Monate ein Bild dieses Malers und Bildhauers machen. Die Puzzleteile verdichteten sich mehr und mehr zu einem Bild. Ein Bild, das sich zusammensetzt aus malerischen Arbeiten aus seiner Schaffenszeit in Berlin, der Zeit seiner Rückkehr in die Schweiz, aber auch aus Arbeiten seiner Bildhauertätigkeit. Es sind dies profane Bilder, aber auch immer wieder Arbeiten mit religiösem Hintergrund. Karl Lukas Honegger, der junge Mann mit dem weissen Malerkittel, dieses Bild ist zu sehen im ersten Ausstellungsraum. Ein Selbstportrait, welches zeigt, dass der Künstler sein Handwerk beherrscht. Daneben der alte Mann, Grimassen schneidend auf drei Zeichnungen. Hinter diesen Bildern verbirgt sich ein Mann mit Humor, ein Schalk, aber vor allem auch ein sehr guter Zeichner. Zeichnen und Malen war Honeggers Lebensinhalt. Was sollte man wissen, um Honegger zu verstehen? Da gibt es ein paar wichtige Meilensteine: Honegger ist aufgewachsen in Zürich Hottingen. Wichtig zu wissen, dass er am Schauspielhaus in Zürich eine Lehre als Theatermaler absolvierte. Mit knapp 22 Jahren den Schritt nach Berlin wagte, eher zufällig in dieser grossen Metropole landete. Es war ein Schritt in eine ungewisse Zukunft. Er besuchte Kunstschulen, verzeichnete Erfolge, Ausstellungen zeugen davon. Während er in Berlin sich der Tradition der deutschen Malerei verpflichtet fühlte, blieb ihm der Erfolg in der Schweiz versagt, auch nach seiner Rückkehr in die Schweiz im Jahre 1944, als er aus dem zerbombten Berlin flüchten musste. Hier in der Schweiz waren er und seine deutsche Kunst verpönt. Jeder, der nach 1933 nicht heimkehrte, wurde in den Augen Vieler als Nazi betrachtet. Weshalb blieb Honegger bis gegen Ende des Krieges in Berlin? Reicht seine Distanzierung vom Naziregime auf einer einzigen Buchseite in seiner ausführlichen Biographie? Ich masse mir kein Urteil an. Was ich aus seiner Biographie und seinen Bildern herauslese, ist folgendes: Er war in Berlin eingebettet in eine „Familie“, seine Freunde hielten ihn zurück. Er hatte sich eine Existenz aufgebaut. Er malte die Landschaft, die zu seiner zweiten Heimat geworden war. Ich kann mir vorstellen, dass es schwer gewesen wäre, alles zu verlassen. Er tat es erst, als sein Atelier zerstört wurde, kehrte im Jahre 1944 in die Schweiz zurück, wo er sich eine neue Existenz aufbauen musste. Er wurde von der hiesigen Kunstszene gemieden. Aus seiner Verunsicherung heraus machte er einen Schritt nach vorne, absolvierte mit 45 Jahren noch eine Bildhauerlehre bei Alfons Magg in Zürich. Seit Anfang der 70er Jahre lebte und arbeitete er in der Kittenmühle in Herrliberg. Er war auch als Kunstlehrer tätig. Honegger hat seine drei künstlerischen Gebiete im Bild „Meine drei Tätigkeiten“ festgehalten: Es steht in unserer Ausstellung deshalb im Eingangsbereich. Honegger schuf in seinem langen Leben 350 Bilder, 680 Zeichnungen, 155 Skulpturen und Plastiken und 40 Keramikarbeiten. Seine Werke und die von ihm verfasste Biografie geben mir Einblick in das Leben eines Künstlers, der den Schritt in die Moderne miterlebt, aber nicht mitgemacht hat. Als junger Student war Honegger in Berlin auf der Suche nach einem persönlichen künstlerischen Ausdruck. Er orientierte sich in der Vergangenheit, während sich die Malerei zu dieser Zeit weiterentwickelte, von der akademischen Malerei weg in die Abstraktion. Während Honegger Portraits im klassizistischen Stil malte, besann sich Kandinsky auf Punkt, Linie und Fläche. Honegger hat sich den Modeströmungen, wie er sie nannte, stets wiedersetzt, alles Dogmatische links liegen lassen: Er hat zeitlebens die Kunstströmung aus Frankreich abgelehnt: Kein Impressionismus, kein Kubismus, kein Expressionismus. Er verteidigte sich in Wort und Bild gegen die Vereinnahmung durch irgendwelche „...ismen“. Ich bewundere ihn für seine Geradlinigkeit. Es erstaunt mich aber auch, dass er die Bedeutung von gewissen Strömungen nicht erkannt oder diese falsch gedeutet hat. Honegger war unbestritten ein grosser Porträtmaler. Stellvertretend für dieses Genre ist in unserer Ausstellung das Bild seiner Mutter zu sehen. Eine strenge Mutter, wie ich aus seiner Biographie herauslese. Eine Mutter, die sich dafür eingesetzt hat, dass ihr Sohn nicht nur Bilder malen, sondern auch verkaufen konnte. Honegger hat in den dreissiger Jahren in Berlin von der Porträtmalerei gelebt. Die Namen der Modelle weisen darauf hin, dass er in besseren Kreisen verkehrte: Herr und Frau von Hagen, Frau von Osten, Baronin von Schwerder, Frau von Wedel. Die Namen mit dem Zusatz „von“ ermöglichten ihm ein Leben als freischaffender Künstler. Vielleicht verlangte der pommersche Adel aber auch Bilder mit einer akademischen Malweise. Ich kann mir vorstellen, dass sich Honegger danach richtete, ich glaube aber auch, dass er sich dabei treu bleiben konnte: Er war überzeugt von seiner Malerei. Auch wenn sie traditionell waren, weisen seine Bilder eine hohe Qualität auf. Honegger verstand sein Handwerk, und seine Portraits sind ausdrucksstark. Ich frage mich, ob sich hinter Honeggers Malerei nicht doch auch ein „...ismus“ verbirgt. Naturalismus, Realismus? Wie könnte ich Honeggers Werk stilmässig einordnen? Die Bilder wirken naturalistisch, realistisch, teilweise impressionistisch wie das Bild „Herbstvormittag in Nauen“ aus dem Jahre 1925. Dieses Werk, das Honegger selber als „Wurf“ bezeichnete, zeigt, dass sich Honegger durchaus auch der französischen Malerei hätte anschliessen können; nach seiner Rückkehr in die Schweiz liebäugelte er sogar damit, wie ich in seiner Biografie lese. War Honegger ein eigenständiger Maler? Ich ertappe mich dabei, dass ich beim Betrachten seiner Bilder an andere Maler denke: die Palette reicht von Albert Anker über Hodler, Max Liebermann, Felix Valloton und andere mehr. Als ich mich vor einem Jahr ein erstes Mal intensiver mit seinem Werk befasste, kam mir als Stilrichtung als erstes der Begriff der „Neuen Sachlichkeit“ in den Sinn: Die Porträts erinnern mich an Bilder von Christian Schad. Und meine Empfindung wird bestätigt, denn ich lese in seiner Biografie: „In diesen Jahren trat in Deutschland die „Neue Sachlichkeit“ in Erscheinung. Zu dieser Bewegung fand ich leicht Zugang, konnte ich doch dem Stil nach meine beiden noch in der Theatermalerzeit entstandenen Bilder in etwa diese Stilrichtung einordnen. So blieb ich in den nächsten Jahren in meinen eigenen Bildern der neuen Sachlichkeit ergeben.“ Die Bilder der neuen Sachlichkeit wirken oberflächlich betrachtet naturalistisch: Naturalismus ist die Wiedergabe der äusseren Wirklichkeit: zeichnerische, anatomische und farbige Richtigkeit. Betrachte ich das Bild mit der überschwemmten Oderlandschaft mit dem Titel „Nach regenschwerem Tag“, so könnte ich es oberflächlich als naturalistisch bezeichnen. Honegger hat es allerdings wie alle seine Landschaftsbilder nicht „plain air“, also unter freiem Himmel gemalt, sondern im Atelier aus dem Vorstellungsvermögen und nach Studien von gezeichneten Weiden. Honegger sagte selber, er habe die Stimmung eines abendlichen, regenschweren, mit Nebelschwaden verhangenen Tages festhalten wollen. Eine Stimmung wie im Gedicht vom Erlkönig. Honegger nutzt die Landschaft, um eine innere Stimmung auszudrücken. Und darin unterscheidet sich der Naturalismus vom Realismus: Im Unterschied zum Naturalismus kommt beim Realismus die Empfindung des Künstlers und damit eine „innere Wahrheit“ dazu. Damit bin ich beim „...ismus“ für Honegger angelangt. Ich würde ihn als „Realisten“ bezeichnen. Honeggers Bilder versuchen immer etwas Wesentliches sichtbar zu machen. Er bildete nicht einfach eine Landschaft ab, sondern zeigte zum Beispiel in ihr die Natur, die sich verlorenes Terrain zurückholt. Im Bild „Oderwiesen nach Überschwemmung“ ist Werden und Vergehen thematisiert. Auf und ab, hin und her. Die Landschaft atmet, bewegt sich. Sie lebt. Die Zeit wird sichtbar. Ich nenne das den Kern der Wahrheit. In unserer Ausstellung sind erstmals viele Landschaftsbilder vereint. Die Landschaft war für Honegger auch immer ein Abbild der Schöpfung. Die Landschaft mit ihren Tages- und Jahreszeiten. Das Abendlicht am Genfersee, kontemplativ, vielleicht schwingt im romantischen Sinn wie bei Kaspar David Friedrich die Frage nach Werden und Vergehen mit, Geburt und Tod. Ich mag dieses Bild, ebenso das Wüstenbild mit dem dunklen Nachthimmel, das erst jetzt, wo ich es in einem helleren Licht sehe, sich als unglaublich vielschichtig erweist. Eine so dunkle Fläche ist nicht einfach dunkle Farbe: Es ist eine farbige Tiefe, unendlich, unergründlich. So wie letztendlich Karl Lukas Honegger auch. Wer war dieser Mensch? Schauen wir seine Bilder an, seine Landschaften. Wenn ich die Bilder von Karl Lukas Honegger betrachte, so glaube ich herauslesen zu können, dass er ein offener, ein wissbegieriger, ein reiselustiger, ein engagierter Künstler war, ein Gestalter mit einem unerschöpflichen Schaffensdrang. Und zudem ein gläubiger Mensch, davon zeugen seine vielen Bilder mit religiösen Themen. Nicht alle Werke haben dieselbe Qualität. Es gibt auch misslungene, irritierende Arbeiten. Aber so wie es in jedem Leben auch Umwege gibt, Umwege, die notwendig sind, um dem Lebensziel näher zu kommen, so brauchte es auch im Schaffen von Karl Lukas Honegger misslungene Arbeiten. Denn den herausragenden Werken liegt immer auch die Erfahrung, die sich hinter den vielen Zeichnungen und malerischen Versuchen verbirgt, zugrunde. Jedes Bild ist ein kleines Puzzleteil, das über die Jahre hinweg einen Farbfleck zum Lebenswerk und Gesamtbild des Malers beisteuert. Ich lade sie ein: Tauchen auch Sie ein in seine Bildwelten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
clemens.steiger@kfr.ch Vernissage Donnerstag, 5. März 2015
http://www.karllukashonegger.ch/bilder/ckfinder/files/getSingle.pdf Vernissage: Fotos von Eduard Abbühl Vernissage: 05.03.2015 |
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